Stolpern Sie beim Lesen von Zeitungs- oder Fachartikeln auch ab und zu über Großbuchstaben, Schrägstriche, Klammern oder Sternchen, die mitten im Wort stehen? Einige Verfasser beabsichtigen damit, Aufmerksamkeit für das Thema Gleichberechtigung in der Sprache zu erregen. Andere fürchten, wegen mangelndem Problembewusstsein in die Kritik zu geraten, und wissen sich nicht anders zu helfen. Die Gleichbehandlung aller Geschlechter in der Sprache hat durchaus ihre Berechtigung. Aber sollen Rechtschreibung, Grammatik und Lesbarkeit darunter leiden? Welche Rolle spielt gendergerechte Sprache für die Technische Redaktion?
Wo liegt das Problem?
Im Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 2 steht wörtlich „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Es ist offensichtlich, dass die Gleichberechtigung tatsächlich noch nicht durchgesetzt ist und dass Nachteile existieren. Die gendergerechte Sprache gehört zu den Mitteln, mit denen der Staat sein Anliegen fördert. Kann sich die Technische Redaktion dagegen sträuben?
Seit wann arbeiten Frauen in der Polizei, der Bundeswehr oder der Feuerwehr? Seit wann ist es Frauen gestattet, ein Hochschulstudium zu absolvieren und seit wann werden Frauen auf Baustellen und in Werkstätten geduldet? Vorher gab es nur Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner, Ärzte, Ingenieure, Maurer, Mechaniker…
Heute hat sich das Bild gewandelt. Die Sprache hat dem Rechnung getragen und an die Berufsbezeichnungen „in“ angehängt. Trotzdem wird in Texten meistens die männliche Form verwendet, bei der die Frauen auch mit gemeint sind. Nur, wenn man sich ausschließlich auf Frauen bezieht, tritt das „in“ in Erscheinung. Niemand kommt auf die Idee, dass dabei Männer auch mit gemeint seien könnten. Genauswenig stellt sich jemand mitgenannte Frauen vor, wenn er männlich formulierte Texte liest oder hört, selbst dann nicht, wenn das im Vorwort ausdrücklich gewünscht wird. Frauen verschwinden aus dem Blickfeld, werden unsichtbar, ganz zu schweigen vom noch weniger beachteten dritten Geschlecht. Ist das fair?
Wann braucht die Technische Redaktion gendergerechte Sprache?
Die Sprache hat es in sich. Denken Sie beim Begriff „Technische Redaktion“ an eine Tätigkeit oder an ein Gremium? Wir wollen uns bei den Gremien lieber zurückhalten und uns auf die Tätigkeiten und ihre Ergebnisse konzentrieren.
Technische Dokumentation
Technische Redakteure (m/w/d) schreiben hauptsächlich über den Aufbau, die Funktion und die Bedienung von Geräten, Maschinen und Anlagen. Die Texte sollen zielgruppengerecht, gut lesbar und leicht verständlich sein. Sie lassen sich komplett geschlechterneutral und damit automatisch gendergerecht gestalten:
- In Beschreibungen des Aufbaus und der Funktion technischer Gebilde kommen Personen gar nicht vor.
- Anleitungen für Arbeitsschritte erfolgen entweder im Passiv (Zuerst wird der Ausschaltknopf betätigt, anschließend wird der Netzstecker gezogen) oder im Imperativ (Betätigen Sie zuerst den Ausschaltknopf. Ziehen Sie anschließend den Netzstecker).
- Sicherheitshinweise beziehen sich auf alle Menschen. (Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen. Der Aufenthalt von Personen unter schwebenden Lasten ist verboten.)
- Sind in der technischen Dokumentation Hinweise auf bestimmte Fähigkeiten erforderlich, können geschlechterneutrale Berufsbezeichnungen verwendet werden (Elektrofachkraft statt Elektriker, Fachkraft für Statik statt Statiker).
Für die Technische Dokumentation ist das Thema gendergerechte Sprache also kein Aufreger-Thema. Hat die Technische Redaktion allerdings noch andere Aufgaben, zum Beispiel Veröffentlichungen in Zeitschriften, Unterstützung von Vertriebsaktivitäten oder Vorträge bei Fachtagungen, rückt die gendergerechte Sprache in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Die Technische Redaktion in der Öffentlichkeit
Tritt die Technische Redaktion an die Öffentlichkeit, kann eine gendergerechte Sprache erforderlich werden. Für die Veröffentlichung bestimmte Texte sollten Sie genauso schreiben, wie Redebeiträge. Binnen-Großbuchstaben, wie bei ElektrikerInnen, Sternchen wie bei Elektriker*innen oder ähnliche Notbehelfe, die sich in einem Vortrag nur schwer vermitteln lassen, sollten Sie auch in schriftlichen Publikationen vermeiden. Besser ist es, wenn Sie beide Geschlechter gleichberechtigt nennen, also Elektrikerinnen und Elektriker. Wenn der Text dadurch zu sperrig oder langatmig wird, steht Ihnen eine Reihe von Strategien zur Verfügung:
- Verwenden Sie geschlechterneutrale Bezeichnungen, die Sie für fast jedes Geschlechterpaar finden können. Elektrikerinnen und Elektriker sind Elektrofachkräfte, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind Beschäftigte, Polizist und Polizistin sind Polizeiangehörige.
- Oft lassen sich Geschlechterpaare oder Gruppen aus Männern und Frauen durch ihre Funktion zusammenfassen. Der Leiter und die Leiterin sind die Leitung, der Vertreter und die Vertreterin sind die Vertretung.
- Unterscheiden sich die männliche und die weibliche Form nur durch das vorangestellte „der“ oder „die“, wie bei der Angestellte und die Angestellte, können sie auf den Plural zurückgreifen: statt der oder die Angestellte… schreiben Sie einfach die Angestellten…
- Manchmal bietet es sich an, unpersönliche Pronomen zu verwenden: statt „alle Kunden und Kundinnen…“ können Sie „alle, die bei uns einkaufen…“ schreiben.
- Verwenden Sie, wo es sich anbietet, das Passiv. Damit können sie vermeiden, Personen zu erwähnen: Statt: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben die Unterlagen rechtzeitig fertig gestellt. Besser Die Unterlagen wurden rechtzeitig fertiggestellt.
Wenn in Ihrem Text ganz bestimmte Personen vorkommen, ergibt sich aus den Vornamen, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Deshalb sollten Sie die Namen voll ausschreiben. Akademische Titel werden in Texten gewöhnlich abgekürzt (Prof., Dr.). Wenn Sie die Titel aussprechen, sollten Sie bei Frauen die weibliche Form wählen (Professorin, Doktorin).
Was die Technische Redaktion außerdem beachten sollte
Die gendergerechte Sprache hält Aspekte bereit, die unabhängig von einer gleichwertigen Erwägung von Männern und Frauen leicht zu Fallstricken werden können. Je nach Region sind in der Alltagssprache Begriffe und Redewendungen gebräuchlich, die auf einem veralteten Frauenbild beruhen. Die Technische Redaktion ist zwar weniger in Gefahr, dadurch in peinliche Situationen zu geraten. Aber auszuschließen ist es nicht, dass sich die „Milchmädchenrechnung“, „Lieschen Müller“, eine „kluge Else“ oder andere Klischees in Ihren Text einschleichen. Bleiben Sie wachsam, kreativ und achten Sie bewusst auf eine gendergerechte Sprache.
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