Die fortschreitende Digitalisierung ist in fast allen Lebensbereichen mittlerweile im Alltag angekommen. Mit dem Smartphone hat fast jeder Mensch einen leistungsfähigen und vernetzten Rechner in der Hosentasche. Solche innovativen Technologien machen selbstverständlich auch vor der Technischen Dokumentation nicht halt. Die gedruckte Technische Dokumentation wurde längst durch verschiedene digitale Komponenten erweitert – die mobile Dokumentation ist entstanden.
Zwar ist eine gedruckte Dokumentation auf Papier grundsätzlich auch tragbar, also mobil, aber mit mobiler Dokumentation ist natürlich mehr gemeint. Mobile Dokumentation bezieht sich auf verschiedene digitale Formate, die sich auf unterschiedlichen, tragbaren elektronischen Endgeräten ausgeben lassen. Hierbei werden grundsätzlich die Inhalte an das Endgerät angepasst, sie sind responsiv. Auf einem Smartphone werden Inhalte anders dargestellt als auf einem E-Book-Reader oder einem Laptop. Je nach Endgerät gibt es verschiedene Vor- und Nachteile der mobilen Dokumentation.
Die Digitalisierung der Technischen Dokumentation startete bereits in den 1990er Jahren mit der Erfindung des PDF. Das war der Grundstein für die digitale Publikation. Die rasanten Entwicklungen im Mobilfunkbereich waren der nächste Meilenstein. Mit höheren Datengeschwindigkeiten ab circa 2002 wurde die mobile Dokumentation erst möglich. Schließlich revolutionierte 2007 das erste iPhone das Nutzerkonzept tragbarer Endgeräte. Etwa zur gleichen Zeit kamen auch E-Book-Reader und kurze Zeit danach Tablets auf den Markt. So konnten auch Bücher nicht mehr nur auf Papier, sondern auch am Bildschirm gelesen werden. Zudem konnten auf den neuen Ausgabegeräten die Dokumente durch multimediale Inhalte ergänzt werden.
Welche Vorteile hat Mobile Dokumentation?
Als größter Vorteil in Vergleich zur herkömmlichen Technischen Dokumentation lässt sich sicherlich die Kosteneinsparung nennen. Doch zwei Beispiele sollen zeigen, dass der Mehrwert darüber hinaus geht:
In der Luftfahrt wirkt sich Mobile Dokumentation sehr konkret aus: Bis zu 18 Kilogramm können Handbücher, Bordbücher, Wartungsdokumente und Checklisten wiegen, die in einem zivilen Flugzeug mitgeführt werden müssen. Das sind oft mehr als 10.000 Seiten! Heute ist es möglich, all diese Unterlagen in elektronischer Form – als sogenanntes Electronic Flight Bag (EFB) – zur Verfügung zu stellen.
Dieses elektronische Dokument lässt sich deutlich einfacher und schneller durchsuchen und regelmäßig, unkompliziert aktualisieren, denn es muss nicht mehr jährlich neu gedruckt werden. Hinzu kommen erhebliche Einsparungen an Kerosin aufgrund des geringeren Gewichtes beim Transport. Die Mobile Dokumentation hat in der Luftfahrt also einen unglaublichen Mehrwert.
Auch beim Automobilbau bietet die Mobile Dokumentation Vorteile. Zur klassischen Technischen Dokumentation gehören neben der Betriebsanleitung auch Informationsblätter und Zusatzanleitungen beispielsweise für den Sprachassistenten – all dies umfasst leicht mehrere hundert Seiten. Die entsprechende App und ihre Inhalte sind heute meist in mehreren Sprachen verfügbar, direkt im eingebauten System über ein Display abrufbar. Beim Start wählt der Nutzer seine Sprache. Lädt er die Inhalte herunter, sind diese auch offline verfügbar. Im Gegensatz zur Papierversion sind in der App multimediale Inhalte wie beispielsweise Videos ergänzt. Zudem dient eine Suchfunktion zum schnellen Auffinden von Inhalten innerhalb der App.
Umsetzung einer digitalen Dokumentation
Grundsätzlich wird bei der Umsetzung in drei Arten unterteilt: Applikationen (Apps) auf mobilen Endgeräten, elektronische Bücher (E-Books) und Augmented Reality, die eine kleine Sonderstellung einnimmt. Einfach ein PDF-Dokument, das online zur Verfügung gestellt wird, ist zwar auch digital, aber nicht explizit mobil.
App
Eine App für technische Kommunikation ist wahrscheinlich die eleganteste Lösung. In der Regel ist es so, dass an der Maschine oder dem Gerät spezielle QR-Codes angebracht sind. Werden diese mit der App abgescannt, ruft der Nutzer dadurch die zum Gerät oder zum Bauteil passende mobile Dokumentation auf. Das kann je nach Komponente eine Betriebsanleitung sein, CE-Erklärung, Ersatzteilliste, Elektroschaltplan oder auch ein Montageplan. Meist sind die eigentlichen Dokumente in einer Cloud hinterlegt und die Zuordnung erfolgt über die Seriennummer.
Interessant ist das für alle Mitarbeiter aus dem Vertrieb und natürlich Servicepersonal vor Ort. Ein Techniker im Kundenservice kann so auf die gesamte Dokumentation zugreifen oder auf einzelne Teile. Er kann in Grafiken hineinzoomen, ein Erklärvideo anschauen und selbstverständlich die für ihn relevanten Texte lesen.
E-Book
E-Books sind ein einfacher und kostengünstiger Weg, eine Mobile Dokumentation umzusetzen. Die Lesegeräte stellen Dokumente im PDF- oder EPUB-Format dar. Im EPUB-Format werden Layout, Zeilenumbruch, Schriftgröße etc. ganz ähnlich wie im gedruckten Dokument abgebildet. Beim PDF birgt die Darstellung häufig einige Nachteile: Die Navigation ist umständlich und meist muss der Text immer wieder vergrößert und ausgerichtet werden. Zudem haben E-Books meist nur ein monochromes Display, unterstützen keine multimedialen Inhalte und ihre Nutzung ist längst nicht so verbreitet wie die von Smartphones oder Tablets.
Augmented Reality
Augmented Reality (AR) ist auch im Bereich der mobilen Dokumentation eine äußerst spannende Technologie. Dafür wird eine Videoaufzeichnung in Echtzeit mit virtuellen Inhalten angereichert. AR ist vor allem für die Nutzung mit einer App auf Tablets gut geeignet. Sie vermittelt eine positive User-Experience und hat einen hohen Prestigefaktor für die Hersteller. Aber für die Anwender – gerade für Laien – ist auch der Mehrwert hoch. Zudem ergibt sich die Möglichkeit der Interaktion zwischen Endanwender und einzelnen Handlungsschritten.
AR hat das Potenzial, die Technische Dokumentation zu dynamisieren, Nachteil ist jedoch der extrem hohe Kosten- und Entwicklungsaufwand für die Unternehmen – sicherlich auch ein Grund für die bisher so geringe Verbreitung.
Die Varianten und ihre Chancen
Eigene Apps sind oft für Unternehmen reizvoll – nicht zuletzt aus Prestigegründen. Für Anwender sind native, hybride und webbasierte Apps nützlich, da sie einen schnellen und bequemen Zugriff bieten. Für die Unternehmen besteht ein weiterer Vorteil darin, dass sie evaluieren können, welche Inhalte besonders häufig aufgerufen werden und für die Nutzer von besonderer Relevanz sind. E-Book-Lesegeräte sind für die Technische Dokumentation kaum verbreitet. Zum einen liegt das an der mangelhaften Darstellung von PDF und zum anderen an den oft monochromen Displays. Augmented Reality birgt ein riesiges Potential für die Technische Dokumentation, das aber bislang kaum genutzt wird – sicherlich häufig aus Kostengründen.
Die Apps sind zwar beliebt – bei Unternehmen und Endanwendern. Auch für die Technischen Redakteure bedeuten sie eine willkommene Abwechslung im redaktionellen Alltag. Doch was ist mit Menschen, die keine Apps nutzen wollen? Oder die kein Smartphone bzw. Tablet besitzen? Für diese Nutzergruppe müssen nach wie vor papierbasierte Anleitungen produziert werden. Beide Varianten werden wohl noch relativ lange parallel bestehen.
Was bedeutet Mobile Dokumentation für die Arbeit in der Technischen Redaktion?
Wenn es um das Thema Mobile Dokumentation geht, wollen die Hersteller häufig durch tolle Effekte in der AR beeindrucken. Die Redakteure jedoch werden von ganz praktischen Fragen angetrieben: Wie können bestehende Inhalte so aufbereitet werden, dass Nutzern ein konkreter Mehrwert geboten wird? Und: Welche Änderungen sind in den redaktionellen Abläufen nötig?
Aufbereitung der Inhalte
Die Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass es möglichst bequeme Zugangswege gibt, beispielsweise über die Suche, die Gliederung, ein Glossar oder eine sinnvolle Verschlagwortung. Für Nutzer, die am Smartphone lesen, gilt mehr denn je: Es muss knapp und präzise formuliert werden.
Texte für Mobile Dokumentation müssen besonders gut und sinnvoll strukturiert sein: Der Nutzer muss jederzeit wissen wie er zum Ausgangspunkt (zur Startseite oder dem nächsthöheren Hierarchiepunkt) zurückkommt. Für den Redakteur ist das in der Regel kein Zusatzaufwand, denn diese Struktur und Orientierungspunkte werden zu Beginn eines Projektes festgelegt und nach und nach aufgebaut. Um Strukturen sinnvoll, kurz und prägnant zu benennen, sollte allerdings etwas Zeit investiert werden. An der Stelle lohnt es sich auch, die Standards einmal zu prüfen, denn oft haben sich hier über die Jahre Formulierungen eingeschlichen, die eventuell klarer sein könnten.
Suchfunktion und Modularisierung
Auch für die Entwicklung der Suchfunktion sollte sich die Redaktion Zeit nehmen. Sie ist schließlich ein äußerst wichtiges Navigationsmittel in der Mobilen Dokumentation. Hier ist eine gute und penible Terminologiearbeit gefragt. Auch eine stärkere Modularisierung der Inhaltseinheiten ermöglicht es dem Nutzer, schnell und leicht die passenden Informationen zu finden.
Detailreiche Tabellen oder Abbildungen sind auf den kleinen Bildschirmen mobiler Geräte für den Nutzer oft nur schwer oder gar nicht zu überblicken. Auch hier hilft Modularisierung, die Inhalte in kleinere Happen unterteilen. Eine Tabelle kann beispielsweise in mehrere Listen gegliedert werden, eine große Grafik kann als Clickmap umgesetzt werden. Aktivierbare Inhalte, wie Telefonnummern oder Links machen die mobile Anwendung sogar deutlich besser nutzbar als es die Papierversion ist – und auch dafür hält sich der Aufwand für den Redakteur in Grenzen. Viele der genannten Maßnahmen können automatisiert umgesetzt werden.
Fazit Vorteile und Aufwände
Wahrscheinlich müssen in der Technischen die Publikationszyklen überdacht werden. Während die Papierdokumentation beispielsweise einmal jährlich überarbeitet wird, erwarten Endkunden, dass eine mobile Dokumentation regelmäßig aktualisiert wird. Möglicherweise sollen Änderungen immer direkt umgesetzt werden. Dafür müssen intern auch entsprechende Freigabeprozesse geschaffen werden.
Alles in allem lässt sich zusammenfassen, dass der Nutzen Mobiler Dokumentation häufig die Aufwände übersteigt. Für folgende Vorteile lohnt es sich:
- Kostenreduzierung – die gesparten Kosten für Druck und Auslieferung finanzieren oft schon im ersten Jahr die Investitionskosten
- Einsparungen durch schnellere Abläufe und vereinfachte Zugänge
- Rechtssicherheit – die Dokumente können regelmäßig aktualisiert werden und es ist hundertprozentig nachweisbar, welche Mitarbeiter diese erhalten haben und nutzen
Die Kommunikationserwartungen der Zielgruppe lassen sich schon heute oft nicht mehr durch ein PDF oder ein Papierhandbuch erfüllen. Und Unternehmen haben durch die mobile Dokumentation das Potenzial, ihre Kunden auch mobil zu erreichen. Letztendlich ist es ein weiterer Schritt hin zur Digitalisierung unseres Alltags: Wer online Pizza bestellt und die Krankschreibung vom Arzt über eine App bei der Versicherung einreicht, der möchte auch mobil auf die Gebrauchsanleitung der Kaffeemaschine zugreifen.
Bild E-Book: Retha Ferguson / Pexels
Headerbild: dusanpetkovic1 / Adobe Stock