Gamification beschreibt den Prozess, aus irgendetwas ein Spiel zu machen. Geht das auch mit der Technischen Dokumentation? Woran denken Sie beim Begriff „Dokumentation“ eigentlich zuerst? Denken Sie eher an die Arbeit des Dokumentierens oder an das Ergebnis dieser Arbeit? Offensichtlich müssen wir hier zwei Strategien ins Spiel bringen:
- Das Dokumentieren als Spiel betreiben, und zwar mit dem Ziel,
- dem Nutzer die Dokumentation in Form eines Spieles zu präsentieren.
Wann ist das überhaupt sinnvoll? Gehen wir mal der Reihe nach.
Worin unterscheiden sich Spiel und Arbeit?
Ursprünglich bedeutet Spielen, in einer geschützten Umgebung überlebenswichtige Fähigkeiten zu erlernen und zu trainieren. Menschen und Tieren ist ein Spieltrieb angeboren, der ihnen hilft, sich im ersten Lebensabschnitt auf die Zukunft vorzubereiten. Später artet das in Arbeit aus. Sobald Menschen Zeit übrig haben, meldet sich der Spieltrieb jedoch zurück und fordert Spaß, Unterhaltung, harmloses Kräftemessen oder riskantes Abenteuer. Die Gamification soll diese Antriebe für andere Zwecke nutzbar machen.
Ein Auslöser vom Spieltrieb ist die Langeweile. Sie überkommt uns, wenn wir entweder gar nichts zu tun haben oder mit einer eintönigen Arbeit beschäftigt sind. Und dann gibt es da noch die Arbeiten, die so anstrengend sind, dass wir sie nur mit Überwindung in Angriff nehmen. Gamification kann eintönige Arbeiten interessant machen und zusätzliche Energie für anstrengende Arbeiten freisetzen. Hinter der Idee der Gamification steckt die Verwandlung des „ich muss“ zum „ich will“, also von der extrinsischen zur intrinsischen Motivation.
Die Grenzen zwischen Spiel und Arbeit sind ohnehin fließend. Wenn wir Arbeit als Tätigkeit interpretieren, die unseren Lebensunterhalt sichert, dann arbeiten Schauspieler und Profi-Fußballspieler. Wenn wir Arbeit als Tätigkeit interpretieren, die Werte erschafft, dann spielen sie.
Triebkräfte für spielerische Handlungen
Wollen Sie mit Gamification Schwung in die Arbeit bringen, müssen Sie sich der Triebkräfte bedienen, die spielerischen Handlungen zugrunde liegen. Allerdings wirkt sich nicht jede Triebkraft gleichermaßen auf alle Beteiligten aus. Sind Sie eher Teamplayer oder Einzelkämpfer? Beides hat seine Berechtigung. Folgende Elemente finden Sie in Spielen wieder:
1. Gamification durch greifbare, erstrebenswerte Ziele
Für ein Team oder eine Einzelperson sind greifbare Ziele, die als erstrebenswert gelten, ein Anreiz, sich einer Aufgabe zu stellen. Mit dem erreichten Ziel ist immer eine Belohnung verknüpft. Diese kann im Ziel selbst verankert sein: „Ich kann das, ich habe das geschafft.“ Weitere Belohnungen können Punkte, Belobigungen oder die Freigabe des nächsten Levels sein.
2. Anzeige des Fortschritts
Die direkte Anzeige, welche Wegstrecke bereits geschafft ist und welche noch bevorsteht, wirkt sich auf das Durchhaltevermögen des Handelnden aus. Er sieht stets, wie weit er schon gekommen ist und hat die Gewissheit, auf dem richtigen Pfad zu sein. Die Anzeige kann in Form eines Balkens mit Prozentangabe oder durch aufeinanderfolgende Meilensteine gestaltet werden.
3. Schnelle Bewertung des Ergebnisses
Der Handelnde braucht eine schnelle Rückmeldung darüber, ob er das Ziel erreicht hat oder ob er es verfehlt hat. Bei negativem Feedback kann er sofort einen neuen Versuch starten. Auf diese Weise trainiert er die zielführende Tätigkeit, bis er sie beherrscht.
4. Vergleich des Leistungsstandes
Die Einschätzung der eigenen Leistung im Vergleich zur Leistung anderer fordert den Ehrgeiz heraus. Die schnellste Möglichkeit, seinen Leistungsstand zu überprüfen, bietet ein High-Score. Er ruft den Wunsch hervor, in dieser Rangliste immer weiter an die Spitze zu rücken und regt zum Training an.
5. Aufeinander aufbauende Ziele
Komplexe Aufgaben werden in Teilziele zerlegt. Nachdem die Grundlagen geschaffen sind, werden die Ziele zunehmend anspruchsvoller. Spiele setzen das in Form von Levels um, deren Schwierigkeitsgrad von Stufe zu Stufe steigt, etwa so wie beim Computerspielklassiker „Super Mario“. Oft wird dieses Vorgehen durch Cascading Information begleitet. Dabei werden stets die Informationen bereitgestellt, die zum Lösen der Aufgabe erforderlich sind. Die begrenzte Bereitstellung von Fakten und die gezielte Formulierung der Fragen geben den Lösungsweg praktisch vor, ohne dass der Handelnde die Vorgabe als solche wahrnimmt.
6. Gamification durch das Narrativ – die Erzählung mit Mehrwert
Einige Spiele gehen mit der Erzählung einer Geschichte einher. Das regt die Neugier des Handelnden an. Weil er wissen will, wie die Geschichte weiter geht, führt er das Spiel kontinuierlich weiter. Auf diese Weise lassen sich unterschiedliche Elemente miteinander verknüpfen: Aufgaben, die gelöst werden müssen, trainieren Gedächtnis, Reaktionsvermögen oder Schnelligkeit. Die Fortsetzung der Erzählung ist einerseits Belohnung und bietet andererseits Gelegenheit, Wissen zu vermitteln.
7. Gemeinschaftliches Lösen von Aufgaben und Wettstreit
Werden Spiele so gestaltet, dass sich die Lösung von Aufgaben nur durch die Zusammenarbeit in einem Team finden lässt, spricht man von Community Collaboration. Die Notwendigkeit, Kontakte zu knüpfen und Arbeiten untereinander aufzuteilen, führt zur Stärkung der Gruppe und zur Bildung von sich selbst organisierenden Systemen.
Die Interaktion von Handelnden mit dem Ziel, einen Sieger zu ermitteln, setzt die Vereinbarung und Befolgung von Spielregeln voraus. Spiele auf dieser Grundlage trainieren neben taktischen Fähigkeiten auch den Umgang mit Niederlagen.
Gamification bei der Erarbeitung technischer Dokumente
Wahrscheinlich haben Sie schon bemerkt, dass die spielerischen Elemente die Realität nachempfinden. Die Arbeit in der Technischen Dokumentation können Sie durch die Aufteilung in greifbare Teilziele interessanter gestalten. Gönnen Sie sich eine kleine Belohnung, wenn Sie eine Etappe abgeschlossen haben. Wenn Sie jedes Ende einer Etappe mit einem Meilenstein versehen, haben Sie einen guten Überblick über den Fortschritt der Arbeit.
Um an die Informationen zu gelangen, die Sie für die Technische Dokumentation brauchen, müssen Sie mit den Mitarbeitern anderer Abteilungen kooperieren. Vereinbaren Sie mit Ihren Kollegen Spielregeln, die aus der Weitergabe und Übernahme der Fakten ein Ereignis machen.
Gamification von Anleitungen – was sagt der Kunde?
Erste Versuche in der Gamification von technischen Dokumenten haben bereits gezeigt: Auch hier eröffenet sich ein ganz neues Feld, die schnöde und meist doch sehr textlastige Bedienungsanleitung neu zu interpretieren und dem Nutzer spielerisch ein Produkt näherzubringen.
Allerdings sollte immer individuell abgewogen werden, ob ein Gamification-Konzept tatsächlich zur Zielgruppe, dem Produkt und den rechtlichen Anforderungen passt. Während sich die einen durch narrative Elemente, Anzeigen des Fortschritts oder des erreichten Levels bereichert fühlen könnten, könnten andere irritiert auf spielerisch gestaltete Unterlagen reagieren.
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