Anlagendokumentation ist äußerst komplex. Nahezu ein Goliath, ein scheinbar unbezwingbarer Krieger der biblischen Geschichte, vor dem die Gegner reihenweise die Flucht ergriffen. Nur einer nicht, der junge Hirte David, der ohne Schwert und Ausrüstung, nur mit fünf glatten Steinen und einer Schleuder bewaffnet in den Kampf zog – und siegte.
Ähnlich wie in der Geschichte „David gegen Goliath“ stehen auch viele Unternehmen vor der scheinbar unbezwingbaren Aufgabe, eine Anlagendokumentation zu erstellen. Doch rechtlich gesehen kommen Sie nicht um sie herum. Bündeln Sie daher alle Kräfte und wagen Sie sich Schritt für Schritt an die Dokumentation. Wir geben Ihnen die fünf symbolischen Steine an die Hand.
Was ist Anlagendokumentation und warum ist sie so komplex?
Um zu klären, was es mit der Anlagendokumentation auf sich hat, hilft zunächst ein Blick auf den Begriff „Anlage“. Eine Anlage besteht in der Regel aus mehreren Einzelmaschinen, Bauteilen und Zubehöreinrichtungen, die steuerungstechnisch miteinander verknüpft sind. Damit gelten sie in ihrer Gesamtheit als neue Maschine und müssen auch als solche betrachtet werden.
Denn eine Anlagendokumentation umfasst die Zusammenstellung aller erforderlichen Dokumente für
- die Planung
- die Errichtung
- die Inbetriebnahme
- den Betrieb und
- die Instandhaltung
von Anlagen (mit all ihren Einzelmaschinen, Systemen und Komponenten).
Zum Einen umfasst die Anlagendokumentation eine Projektmanagement-Dokumentation. Sie beschreibt den vollständigen Schriftverkehr zwischen allen Beteiligten von der Angebotsphase bis zur Inbetriebnahme der Anlage und umfasst alle Infos zu
- Terminen
- Ressourcen und
- Kosten
Zum Anderen – wesentlich größeren Teil – gehört dazu die eigentliche Technische Dokumentation der Anlage und Produkte. Sie beinhaltet folgende Aufzeichnungen:
- Genehmigungsdokumentation: Genehmigungsanträge, – bescheide und mögliche Auflagen
- Ausführungsdokumentation: Komponentenhandbuch, Bautechnische Dokumentation, Dokumentation der Elektronik und Steuerungstechnik
- Qualitätsdokumentation: Prüfnachweise, Gefahrenanalysen und Entwurfsprüfunterlagen zur Maschinensicherheit
- Betriebsdokumentation: Konformitäts- und Einbauerklärungen aller verbauten Komponenten, Betriebsanleitungen laut Maschinenrichtlinie, Gefahrenanalysen aller Produkte, die keine Massen- oder Serienteile sind sowie die Inbetriebnahme-Dokumentation inklusive sämtlicher Daten und Aufzeichnungen aus dem Probebetrieb
Je sorgfältiger Sie die Betriebs- und Inbetriebnahme-Dokumentation durchführen, desto einfacher wird anschließend der nächste Schritt: das Erstellen eines Betriebshandbuches. Es beschreibt alle Maßnahmen und Arbeitsanweisungen für das Personal, um einen sicheren Betrieb der Anlage zu gewährleisten und vervollständigt eine umfängliche Anlagendokumentation.
Die 4 Phasen der Anlagendokumentation
Die vorangegangene Auflistung zeigt: Eine Anlagendokumentation zu erstellen, erfordert einigen zeitlichen Vorlauf. Sie sollten daher keinesfalls erst damit beginnen, wenn die Anlage schon fast fertig ist. Viel sinnvoller ist es, bereits während der Planung damit zu beginnen. So stellen Sie sicher, dass Sie auch wirklich alles Wichtige dokumentieren. Denn im Laufe der Anlagendokumentation kommt Einiges zusammen.
Der Dokumentationszyklus der Anlagendokumentation lässt sich grob in vier Phasen einteilen:
- Kontinuierliches Erfassen und Sortieren aller vorhandenen Daten
- Erstellen einer Rohdokumentation
- Funktionstests der einzelnen Anlagenteile mit anschließender Übernahme aller Daten in die Dokumentation
- Inbetriebnahme der Anlage und anschließende Generierung der endgültigen Anlagendokumentation
Die Enddokumentation besteht in der Regel aus drei Teilen:
- Papierdokumentation inkl. digitaler Version
- CAD-Dateien und -Datenbanken
- Technische Anlagedaten zur Anlagenbeschreibung
Nach der Doku ist vor der Doku
Bei der Anlagendokumentation verhält es sich wie bei allen anderen technischen Dokumenten auch: Sie ist niemals endgültig fertig. Denn sie endet nicht mit der Inbetriebnahme der Anlage, sondern erstreckt sich über den gesamten Lebenszyklus der Maschine und muss daher fortlaufend gepflegt und erweitert werden. Tauschen Sie etwa Bauteile aus, nehmen Änderungen an Geräten vor oder planen Sie sogar einen Maschinenumbau, dann müssen Sie dies alles dokumentieren.
Vorteile digitaler Anlagendokumentationen
Sinnvoll ist es daher, auf eine elektronische Dokumentationssoftware zurückzugreifen. Die Vorteile digitaler Dokumentationen liegen klar auf der Hand:
- Sie vereint sämtliche Prozesse auf einer Plattform.
- Bestehende Dokumente lassen sich einfach, schnell und intuitiv anpassen.
- Ein festgelegtes Layout sorgt für Einheitlichkeit.
- Verschiedene Medien- und Dokumententypen werden integriert und dargestellt.
- Alle Beteiligten haben jederzeit Zugriff auf die aktuellste Version.
- Änderungen lassen sich nachverfolgen.
- Mehrsprachigkeit ist problemlos möglich.
- Die rechtssichere Archivierung wird gewährleistet.
- Ein Eingabefeld beschleunigt Suchanfragen um ein Vielfaches.
Tipps zur Erstellung einer Anlagendokumentation
Abschließend noch ein paar Hinweise, die Sie bei der Erstellung einer Anlagendokumentation beachten sollten:
Legen Sie eine Sprache für die Dokumentation fest
Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn nicht alle Komponenten aus einem Land stammen und Zulieferer ihrer Dokumente in einer anderen Sprache zur Verfügung stellen. Legen Sie daher eine oder mehrere Sprachen für die Anlagendokumentation fest.
Achten Sie auf Einheitlichkeit
Definieren Sie klare Vorgaben für die Größe, Marke und Farbe von Ordnern, für die Struktur und Benennung von Verzeichnissen, elektronischen Dateien und Dokumenten. So erhalten Sie ein in sich stimmiges Gesamtdokument, deren Handhabung nach dem immer gleichen Prinzip funktioniert. Übernehmen Sie die festgelegte Struktur der Papierdokumentation auch im Digitalen.
Stellen Sie digitale Daten zur Verfügung
Elektronische Dokumentensysteme bringen wie bereits erwähnt klare Vorteile mit sich. Für einen reibungslosen Workflow ist es daher sinnvoll, technische Illustrationen, Zeichnungen und Schemata, aber auch Textdokumente und Tabellen in digitaler Form bereitzustellen.
Klassifizieren Sie die Dokumentation
Da der Auftraggeber oder der Betreiber der Anlage die Enddokumentation höchstwahrscheinlich in sein vorhandenes Dokumentenmanagement-System übernimmt, sind Klassifizierungsmerkmale unerlässlich. Diese ermöglichen es, die Dokumente, Fotos, Hinweise oder andere Formate mit verschiedenenen Tags und Metadaten zu belegen und in frei definierte Klassen zu gruppieren. So können Sie sie später viel leichter und schneller wiederfinden. Die international einheitliche Norm EN 61355-1 regelt die Klassifizierung und Kennzeichnung von Dokumenten für Anlagen, Systeme und Ausrüstungen.
Arbeiten Sie mit Verweisen
So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig – das ist die Devise, die Sie auch beim Zusammenstellen der Anlagendokumentation befolgen sollten. Denn niemand ist daran interessiert, Tausende von Seiten durchzublättern. Wo es sinnvoll ist, dürfen Sie mit Verweisen zu einzelnen Maschinenanleitungen arbeiten – vor allem in Bezug auf die Zulieferdokumentation. Übertreiben Sie es allerdings nicht, sonst geht die Verständlichkeit aufgrund der Übersichtlichkeit verloren. Einen guten Anhaltspunkt zur Integration bietet der DIN Fachbericht 146.
Achten Sie auf Vollständigkeit
Die Anlagendokumentation mithilfe von Verweisen in ihrem Umfang zu straffen, heißt jedoch nicht, etwas komplett wegzulassen. Der Hauptlieferant bzw. Hersteller ist dafür verantwortlich, dass die Dokumentation vollständig und richtig ist. Unwissenheit schützt auch hier vor Strafe nicht.
Halten Sie Deadlines ein
Aufgrund der Komplexität einer Anlagendokumentation ist es besonders wichtig, dass sich alle Beteiligten auf zeitlich vereinbarte Meilensteine verlassen können. Halten Sie Zeiten und Umfänge schriftlich fest und kommunizieren Sie regelmäßig, um das Risiko böser Überraschungen zu minimieren. Denn die können mitunter sehr teuer werden.
Archivieren Sie die Anlagendokumentation
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, eine Kopie der Enddokumentation als Zweitdokumentation zu archivieren und zehn Jahre nach Übergabe der Anlage aufzubewahren.
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